Kata

Achtung: Entwurf!

Allgemeines

Die Kata gehört neben dem Randori/Shiai (Übungs- und Wettkampf) sowie dem Mondo/Koga (Lehrspräch/Vortrag) zu den Säulen des Judo und kann mit Form oder Stil übersetzt werden. Dabei sind sowohl für Tori als auch für Uke alle wichtigen Bewegungen festgelegt (geschlossene Situation) und können dadurch immer wieder trainiert und in das Bewegungsgedächtnis „eingebrannt“ werden.

Da die japanische Sprache nicht wie im Deutschen zwischen Ein- und Mehrzahl unterscheidet, kann unter Kata sowohl eine komplette Gruppe (z.B. Nage-no-kata) als auch eine einzelne Technik (z.B. Uki-otoshi) verstanden werden. Noch weiter gefasst versteht man unter Kata jede Form des Übens, bei dem die Technik mit allen Bewegungen vorher abgesprochen wurde.

Es geht also nicht in erster Linie darum, wie im Wettkampf zu siegen, sondern eine Technik bis ins Detail zu lernen, sowohl vom Prinzip als auch von der Durchführung her. In Kanos eigenen Worten verhalten sich Kata und Randori zueinander wie Grammatik und freies Schreiben einer Sprache – beide sind nötig und ergänzen sich. Kata kann und wird auch heute noch häufig als Judodemonstration z.B. bei festlichen Anlässen gezeigt, es gibt auch Kata-Meisterschaften, der eigentliche, ursprüngliche Sinn liegt aber im Lernen und Üben der Würfe.

Die folgenden Hinweise dienen nur der Unterstützung der Kata-Trainings, insbesondere für Kyu-Grade. Daher wird zunächst nur auf die Nage-no-kata eingegangen. Es können nicht alle Details in Worte gefasst werden. Lernen kann man es nur auf der Matte! Anschauungsmaterial (Bilder, Videos) gibt es unter den unten aufgeführten Quellen.

Nage-no-kata

I (Jigoro Kano) devised these judo katas mainly for the purpose of illustrating important points that I wished to explain to my students during breaks in randori practice. These are in essence the critical principles of judo … by practicing Nage-no-kata, my students were better able to grasp more quickly how these throwing techniques should be executed for maximum effect in randori. (Watson, B. : Judo Memoirs of Jigoro Kano. Victoria, BC: Trafford Publishing, 2008. )

Die Nage-no-kata („Form des Werfens“) wurde von Jigoro Kano bereits 1884/85 entwickelt, 1906 in Kyoto endgültig festgelegt und 1915 von Yamashita, Nagaoka und Murakami schriftlich zusammengefasst. 1960 erfolgte durch eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Mifune eine Präzisierung, da es zu erheblichen Abweichungen zwischen den verschiedenen Dojos und dem Kodokan in Japan gekommen war, insbesondere bei der letzten Technik der Katame-no-kata (Ashi-garami, führte häufig zu schweren Knieverletzungen).

Die Nage-no-kata gehört zusammen mit der Katame-no-kata zu den Randori-no-kata. Sie bietet einen Querschnitt der wichtigsten Wurftechniken (Nage-waza) des Kodokan-Judo und ist unterteilt in 5 Gruppen zu je 3 Würfen, die jeweils rechts und links ausgeführt werden. Die gesamte Kata dauert etwa 8 – 10 Minuten.

In der Nage-no-kata werden viele Dinge geübt, vom korrekten Grüßen, dem Bewegen auf der Matte (Ayumi/Tsugi-ashi) bis zur Körperhaltung (Jigotai/Shizentai), am wichtigsten sind jedoch

  • für Tori: Gleichgewichtsbruch (Kuzushi), die Wurfvorbereitung/Ansatz („Eindrehen“, Tsukuri) und natürlich der Wurf (Kake)
  • für Uke: der entschlossene Angriff und das sichere Fallen

Kurz: Tori muss Werfen können/üben, Uke muss Fallen können/üben.

Bei näherer Beschäftigung ergeben sich weitere Feinheiten im Detail. Nach dem Angriff von Uke und Toris Reaktion darauf erfolgt in der Regel wieder eine Gegenreaktion von Uke, die letzlich zum Wurf führt. In der typischen drei-Schritt-Bewegung beispielsweise versucht Uke sein Gleichgewicht wieder zu erlangen, was ihm jedoch in der letzten Phase nicht mehr gelingt und er somit geworfen wird.

Weitere Informationen, Bilder und Videos

Erste Adresse ist das „Kata Textbook“ des Kodokan (englisch), in dem in knappen, präzisen Formulierungen alles zusammengefasst ist und durch Fotos ergänzt wird. Vom Kodokan existieren auch Lehrvideos auf Youtube, dort findet man auch das Lehrvideo des NJV von Andreas Schäfer. Auch findet man Mitschnitte von hochklassigen Kata-Workshops in Japan von Daigo, Abe oder anderen Experten. Bei Videos von z.B. Gürtelprüfungen sollte man eher vorsichtig sein, da dort häufig grobe Fehler unkommentiert bleiben.

Workshops im Anschluss an die Kata-WM finden sich z.B. unter

Weitere Quellen:

  • Sven Keidel, Stefan Bernreuther: Nage No Kata lehren und lernen (2013), Meyer & Meyer Verlag, ISBN: 978-3-8403-1003-4
    Ein Unterrichtskonzept zum Kata-Training, gedacht für Trainer, aber auch für alle anderen Kata-Interessierten sinnvoll
  • Tadao Otaki, F. Draeger: Judo Formal Techniques (1983), Charles E. Tuttle
    Company, Inc.
    Sehr umfangreiches Buch zu beiden Randori-no-kata, viele geschichtliche Details, aber nicht immer auf dem aktuellen Stand
  • Deutscher Judobund: Regelwerk für Kata-Wettbewerbe (2015)
  • NJV: mögliche Fehler bei der Demonstration der Nage-nokata (pdf)

Eine ausführliche Literaturliste befindet sich am Ende dieser Seite.

Allgemeine Tipps

  • Der Judogi ist weiß, sauber und in gutem Zustand, die Hose sollte nicht weiter als bis zum Knöchel gehen, die Ärmel nicht weiter als bis zum Handgelenk, der Gürtel ordentlich und fest gebunden („Kata-Knoten“)
  • Tori startet links, Uke rechts in Blickrichtung zu Shomen (Frontseite des Dojo) bzw. Yoseki (Ehrenplatz, bei einer Prüfung wäre dies auch der Sitz der Prüfer)
  • Uke greift an, Tori übernimmt die Initiative zum Kuzushi
  • Tori und Uke behalten soweit möglich Blickkontakt
  • Der Schutz von Uke hat Vorrang, wenn ein Wurf falsch begonnen und Uke nicht mehr sicher geworfen werden kann, wird die Technik abgebrochen. Eine Gefährdung von Uke muss ausgeschlossen werden.
  • alle Würfe sollten in der Mattenmitte stattfinden (Ausnahme OAB rechts), Uke sollte nicht aus der Matte geworfen werden
  • alle Würfe beginnen mit der Rechtsausführung (Ausnahme UG)
  • bei den Würfen der 3-Schritt-Bewegung startet immer der Fuß, der näher an Yoseki ist (auch bei den links ausgeführten Techniken!)
  • der Nachstellschritt (Tsugi-ashi) endet, wenn der große Zeh etwa den Knöchel des anderen Fußes erreicht hat, die Ferse bleibt am Boden
  • Am Ende des Wurfes wird Ukes Arm mit beiden Händen fixiert, Tori steht dabei aufrecht mit leicht gebeugten Knien und Rücken (so dass Uke nicht am Arm nach oben gezogen wird)
  • die meisten Würfe werden aus dem Ärmel-Revers-Griff durchgeführt, der Ärmel wird in Höhe des Ellenbogens gefasst, das Revers in Schlüsselbeinhöhe, der Daumen zeigt frei nach oben
  • bei den Schlagtechniken wird nicht in den Anzug gegriffen (zum Üben kann Uke ohne Gi-Jacke trainieren), es gibt auch keinen Ärmelgriff am Unterarm, wie er im heutigen Wettkampfjudo zu sehen ist
  • bei den Schlagtechniken werden von Uke immer beide Hände zu Fäusten geballt
  • die Gehbewegung sollte gleichmäßig ohne Unterbrechung erfolgen, nicht verkrampft (Knie lockern!)
  • Tori ist immer als erster am Platz, Uke folgt – Tori bestimmt die Position
  • die tatsächliche Position bzw. der Abstand insbesondere bei den Schlagtechniken richtet sich individuell nach der Größe der Judoka, ebenso wie der Eröffnungsschritt, die hier angegebenen Werte (z.B. „1 m“) sind Richtwerte
  • der Gi sollte ordentlich sitzen (Gürtel festziehen!) und wird möglichst nur auf dem Weg zur Ausgangsposition durch kurzes Ziehen an den Jackenenden wieder gerichtet
  • aufgestanden wird immer über die Fallseite, dazu wird das  auf der Matte liegende Bein angewinkelt, auf dem Knie abstützend in den Kniestand übergegangen und dann aufgestanden, dabei berühren die Hände nicht den Boden
  • das Drehen aus der Ausgangsposition sollte gleichzeitig, aber ohne „akustische“ 🙂 Hilfsmittel wie Anzug abklopfen erfolgen (üben, üben, üben, …), dabei sollte man Yoseki nicht den Rücken zuwenden
  • alle Bewegungen sollten möglichst effizient erfolgen, d.h. keine überflüssigen Bewegungen (alle Positionen stehen ja bereits fest!), dabei lässt es sich nicht immer ganz vermeiden, Yoseki den Rücken zu zuwenden
  • Klebestreifen können insbesondere bei gleichfarbigen Mattenflächen zur Orientierung dienen

Das klingt zunächst alles sehr kompliziert, hat aber seinen Sinn – auch außerhalb der Kata. Viele Dinge, vom Angrüßen über das Bewegen auf der Matte bis zur korrekten Fallschule können im gesamten Judotraining geübt werden.

Angrüßen (Zeremoniell)

Alle Angaben beziehen sich auf ein Dojo mit einer 6 x 6 Matten großen Wettkampffläche, die von mindestens einer weiteren Mattenreihe umrahmt ist. In Europa ergibt sich somit eine Fläche von 6 m x 6 m, während in Japan die Matten oft kleiner sind. Daher sind auch nicht alle Entfernungen des Kodokan-Standard direkt in europäische Dojos übertragbar. Während das Kodokan-Textbook für das Angrüßen einen Abstand von 5,50 m empfiehlt, sind es bei uns in der Regel 6 m, also am Rand der Wettkampffläche. Bei (z.B. internationalen) Meisterschaften mit einer Mattenfläche von 8 m x 8 m gibt es im
6 m – Abstand entsprechende Markierungen zum Angrüßen.

Beide Judoka laufen zunächst am Mattenrand zur Mitte (zur Kata-Achse) und verbeugen sich im Stand (Tachi-rei) Richtung Yoseki. Dabei sind die Fersen zusammen (Frieden) und die Hände mit angelegtem Daumen am Körper angelegt. Der Oberkörper bleibt gerade und wird in der Hüfte um etwa 30 Grad gebeugt. In Japan ist dies eine normale Begrüßung, als Hilfe blickt man etwa 2-3 m vor sich auf den Boden und gleitet mit den Händen nicht tiefer als bis zum Knie. Dies ist nur die Vorbereitung, die eigentliche Kata beginnt erst jetzt.

Danach drehen sich die Partner zueinander und stehen mit dem großen Zeh direkt am Mattenrand (also in 6 m Entfernung). Nun wird die allgemein bekannte Verbeugung im Sitzen (Za-rei) durchgeführt. Dazu wird zunächst das linke Knie am Mattenrand aufgesetzt, dann das rechte. Die Zehen sind zunächst aufgestellt, die Hände bleiben am Oberschenkel angelegt. Die Zehen werden abgelegt und der Sitz eingenommen. Die Knie sind etwa 2 Fäuste breit auseinander und an der gleichen Stelle wie vorher die Füße (kein Raumgewinn), die Hände liegen in der Hüftbeuge, nicht auf den Knien. Beide verbeugen sich, dabei gleiten die Hände mit geschlossenen Fingern über die Knie auf den Boden und werden leicht nach außen gedreht. Die Hände berühren sich nicht und dienen auch nicht zum Abstützen des Oberkörpers, der gerade bleibt und mit dem Kopf eine waagerechte Linie bildet. Das Gesäß bleibt auf den Fersen. Der Kopf wird nicht angehoben, um den Partner zu sehen. Das Aufstehen erfolgt – inklusive Aufsetzen der Füße – in umgekehrter Reihenfolge, der große Zeh ist wieder am Mattenrand.

Es folgt der Eröffnungsschritt, linker Fuß zuerst, schulterbreit am Ende, energisch und selbstbewusst: der Frieden ist vorbei, jetzt folgt der Kampf. Der Schritt geht etwa über eine Mattenlänge (wie bereits erwähnt, gibt es individuelle Abweichungen je nach Körpergröße), wodurch beide Partner nun etwa einen Abstand von 4 Metern haben – dies ist die Ausgangsposition, in der alle fünf Gruppen beginnen.

1. Gruppe: Te-waza (Handwürfe)

Uki-otoshi

Tori und Uke bewegen sich von der Ausgangsposition in die 4 m Position, d.h. Uke macht 3 kleine, langsame Schritte über etwa eine Mattenlänge, während Tori zügig in Ayumi-ashi (normales Gehen, Füße bleiben am Boden) als erster seine Position einnehmen sollte. Der Abstand sollte etwa eine Armlänge (60 cm) betragen, damit der Ärmel-Reversgriff mit nicht ganz gestreckten Armen eingenommen werden kann.

Uke greift nun an (Griffaufnahme und erster Schritt gleichzeitig), Tori reagiert sofort und übernimmt die Initiative, indem dieser Uke mit insgesamt 3 Nachstellschritten (Tsugi-ashi) nach vorne aus dem Gleichgewicht bringt, Uke versucht vergeblich, sein Gleichgewicht wiederherzustellen. Dazu wird die Schrittweite vergrößert, so dass Uke nach dem 3. Schritt bei gestrecktem Köper etwas nach vorne geneigt ist. Dadurch kann Tori durch kräftigen Zug nach unten („Schwert-Einsteckbewegung“) Uke werfen. Tori setzt beim letzten Nachstellschritt sein Knie in einem Winkel von etwa 45 Grad zur Kata-Achse auf die Matte, die Füße bleiben etwa in einer Linie auf der Kata-Achse, wodurch ein stabiler Kniestand ermöglicht wird. Uke wird nun um etwa 30 – 45 Grad aus der Kata-Achse geworfen. Dabei sollte Uke die Revers-Hand lösen, um Toris Gi nicht über die Schulter zu ziehen. Toris Ärmelgriff bleibt erhalten, die Revershand wird auf dem Knie abgelegt. Toris Blickrichtung bleibt unverändert, er schaut Uke nicht nach und dreht sich nicht in Wurfrichtung.

Nach dem Aufstehen (s.o.) erfolgt die Durchführung links, anschließend nehmen Tori und Uke direkt die nächste Position ein.

Seoi-nage

Tori und Uke stehen sich im Abstand von etwa 2 m (2 Matten) im Katazentrum in Grundstellung (Shizentai) gegenüber. Die genaue Distanz richtet sich nach der Größe der Judoka. Uke ballt beide Hände zu Fäusten. Während die Schlaghand eine Ausholbewegung gerade nach oben (etwas über Kopfhöhe) macht, wird die andere Hand etwa in Bauchhöhe vor den Körper gehalten und ein kleiner Schritt vorwärts auf dieser Seite gemacht. Uke macht nun einen etwas größeren Schritt auf der Schlagseite und schlägt gerade und von oben in Richtung von Toris Tento (Stirnbein, „Bud-Spencer-Schlag“). Über den Sinn dieses Schlages in verschiedenen japanischen Kampfkünsten wurde viel diskutiert, tatsächlich hat Kano den Schlag einfach deshalb genommen, weil er sich sehr gut für diese Wurftechnik eignet („The best opportunity to execute Seoi Nage is when Uke attacks with a vertical strike, so I chose this case.“; Kano in einer Artikelserie von Murakami, Nagaoka, Yamashita im japanischen Magazin JUDO, 1906). Es wurde auch früher kein Schwert oder eine sonstige Waffe verwendet, sondern einfach nur ein vertikaler Schlag.

Tori reagiert auf den Schlag, indem er einen Kodokan-Eingang beginnt und dabei von innen den nicht ganz gestreckten Oberarm von Uke in Höhe des Ellenbogens ergreift. Uke wird nun aktiv durch Zug am Schlagarm aus dem Gleichgewicht gebracht. Ukes Schlag wird nicht geblockt! Tori dreht ein, Ukes Arm befindet sich auf Toris Schulter (Kata-seoi-nage!), Toris zweite Hand wird von außen auf Ukes Schulterblatt gelegt. Durch den Zug am Arm und die Gegenreaktion (Uke baut seinerseits Zug mit dem Arm auf, um nicht geworfen zu werden) wird Uke gezwungen, das hinten stehende Bein in den Parallelstand nachzuziehen. Die zweite Hand stützt sich auf Toris Rücken, die Fersen werden durch den verstärkten Zug von Tori angehoben. Tori und Uke haben nun Rücken-Bauch-Kontakt. Durch Zug mit den Händen und gleichzeitigem Strecken der Beine und Beugen des Oberkörpers („durch die Beine schauen“) wird Uke gerade nach vorn geworfen. Es ist wichtig, genügend Abstand zum Eindrehen zu haben, damit Tori nicht in Rücklage gerät. Grundsätzlich bleiben beide bis zum Wurf jeweils in ihrer Mattenhälfte, Toris Auftaktschritt darf also nicht zu groß sein.

Nach dem Wurf erfolgt direkt die Durchführung links. Danach geht es für den Kata-guruma wieder in die 4 m-Stellung (wie beim Uki-otoshi).

Kata-guruma

Tori und Uke stehen wieder in etwa 60 cm Abstand (Greifentfernung) in der 4 m Position. Uke greift nun an (Griffaufnahme und erster Schritt gleichzeitig), Tori reagiert sofort und übernimmt wieder die Initiative. Beim zweiten Nachstellschritt greift Tori wie beim Seoi-nage von innen Ukes Oberarm in Höhe des Ellenbogens und führt eine Zugbewegung aus. Uke richtet den Oberkörper zur Verteidigung auf. Toris dritter Schritt ist größer, der andere Fuß wird jedoch nicht nachgezogen. Stattdessen greift Tori nun bei gleichzeitigem Zug von Ukes Arm von innen um Ukes Oberschenkel und kann durch diesen Gleichgewichtsbruch und Absenken der Hüfte (Jigotai-Stellung) Uke auf seine Schulter kippen, dabei wird Toris hinten stehendes Bein wieder bis auf Schulterbreite herangezogen („Wellenbewegung“). Wichtig ist, dass sich Ukes Schwerpunkt (etwa Gürtelhöhe) auf Toris Schultermitte befindet und Tori nicht den Oberkörper nach vorne beugt. Tori steht dadurch sicher im Gleichgewicht.

Uke hält zunächst seine Revershand fest, wechselt dann zum Ellenbogen (dort bleibt die Hand bis zum Wurf) und spannt den Oberkörper an, in der Mitte des Rades (Guruma) sollten Tori und Uke ein „T“ bilden. Uke stützt sich dabei mit einer Hand auf Toris Rücken ab und wird von Tori aktiv(!) geworfen. Toris Hände steuern dabei die Richtung, in der Endposition liegt Uke mit den Füßen voraus etwa 30 – 45 Grad zur Kataachse, der Kopf befindet sich knapp neben/hinter Toris Fuß.

Die häufig zu beobachtende Pause zwischen Aufladen von Uke und Wurf ist in den Kodokan-Texten nicht erwähnt und verträgt sich auch nicht mit dem Wurfprinzip eines Rades (Guruma).

Nach dem Wurf erfolgt direkt die Durchführung links. Auf dem Weg zurück in die Ausgangsstellung (Position wie nach dem Auftaktschritt, jedoch Rücken zu Rücken)  werden die Gi gerichtet. Nach kurzer Pause (1 – 3 Sekunden) drehen sich beide Partner wieder zueinander (ohne Yoseki den Rücken zu zeigen) und beginnen mit der nächsten Gruppe.

2. Gruppe: Koshi-waza (Hüftwürfe)

Zur Reihenfolge dieser Würfe hat Kano sich mehrfach geäußert, eine genaue Beschreibung würde hier den Rahmen sprengen. Daher nur kurz: die Würfe entstanden, weil sich Kanos Uke (Saigo, ein technisch hervorragender Judoka) im Randori irgendwann gegen den Uki-goshi durch Ausweichen in Eindrehrichtung verteidigen konnte, wodurch Kano ihn nicht mehr werfen konnte. Kano entwickelte daher den Harai-goshi, der ein Ausweichen verhindert. Saigo versuchte nun, diesen Wurf durch Aufrichten und Blockieren mit der Hüfte zu verhindern, woraufhin Kano seine Hüfte absenkte und somit unter den Schwerpunkt kam, es entstand der Tsuri-komi-goshi.

Uki-goshi

Achtung: der Wurf erfolgt zuerst links, nach einem Schlag mit Ukes rechtem Arm!

Tori und Uke stehen sich im Abstand von etwa 2 m (2 Matten) im Katazentrum in Grundstellung (Shizentai) gegenüber. Die genaue Distanz richtet sich nach der Größe der Judoka. Uke ballt beide Hände zu Fäusten. Während die Schlaghand eine Ausholbewegung gerade nach oben (etwas über Kopfhöhe) macht, wird die andere Hand etwa in Bauchhöhe vor den Körper gehalten und ein kleiner Schritt vorwärts auf dieser Seite gemacht. Uke macht nun einen etwas größeren Schritt auf der Schlagseite und schlägt gerade und von oben in Richtung von Toris Tento (Bregma).

Tori „taucht“ unter Ukes Schlag und bringt seine Schulter tief unter Ukes Achsel – der Schlag geht ins Leere. Dazu senkt Tori seine Schulter leicht ab und geht etwas ins Hohlkreuz, ein Arm umfasst Ukes Rücken möglichst weit auf Gürtelhöhe, der andere greift Ukes leicht nach vorne gestreckten Arm von außen an den Ärmel (nicht in den Ärmel!), gleichzeitig wird der Auftaktschritt diagonal vor Uke ausgeführt, Toris Wurfposition liegt etwa 45 Grad diagonal zur Kataachse. Der Wurf erfolgt nach Gleichgewichtsbruch durch eine schnelle Drehung und Verwinden von Toris Oberkörper (kein Schleudern, kein Ausheben, eher ein Kippen über die Hüfte), Uke landet etwa 45 Grad zur Kataachse.

Danach erfolgt die Ausführung rechts (nach Ukes Schlag mit links!).

Harai-goshi

Tori und Uke stehen wieder in etwa 60 cm Abstand (Greifentfernung). Uke greift nun an (Griffaufnahme und erster Schritt gleichzeitig), Tori reagiert sofort und übernimmt wieder die Initiative. Beim zweiten Schritt greift Tori nach Lösen der Revershand unter Ukes Achsel hindurch und legt die Hand hinten auf Ukes Schulterblatt, die Finger zeigen  nach oben. Tori versucht nun, durch Zug am Ärmel und Druck von Ukes Schulter in Richtung der eigenen Schulter Uke aus dem Gleichgewicht zu bringen. Beim dritten Schritt zieht Tori den vorne stehenden Fuß diagonal auf die andere Seite hinter seinen anderen Fuß (also ein kurz ausgeführer „Pulling out“-Eingang), bringt Uke nach schräg vorne aus dem Gleichgewicht und dreht um 180 Grad zum Harai-goshi ein (nicht zu weit, sonst geht die Fegebewegung ins Leere!), dabei drückt seine Hüfte fest gegen Ukes Bauch. Geworfen wird, indem das gestreckte Schwungbein eine kurze, aber kräftige Fegebewegung an Ukes Bein durchführt (kein Ashi-/O-guruma) und gleichzeitig der Oberkörper etwas abgebeugt und gedreht wird. Häufig wird zwischen erfolgtem Gleichgesichtsbruch und der Fegebewegung ein kurze Pause gemacht.

Uke darf bei diesem Wurf nicht abknicken und zieht beim letzten Schritt den Fuß auf gleiche Höhe (Parallelstand). Gleichzeitig stützt Uke sich mit der freien Hand auf Toris Rücken ab. Uke fällt in etwa parallel zur Kataachse.

Danach erfolgt die Ausführung links.

Tsuri-komi-goshi

Tori und Uke stehen wieder in etwa 60 cm Abstand (Greifentfernung). Uke greift nun an (Griffaufnahme und erster Schritt gleichzeitig), Tori reagiert sofort und übernimmt wieder die Initiative. Dabei greift Tori direkt Ukes Revers im Nacken und führt eine „Angel“-Bewegung (Tsuri-komi, Hebezug) durch. Beim 3. Nachstellschritt (zur Erinnerung: die Schrittweite vergrößert sich bei jedem Schritt!)  wird Toris Fuß nicht mehr nachgezogen, sondern diagonal vor Uke aufgesetzt (etwa eine Fußlänge Abstand), Tori macht also einen Kodokan-Eingang aus der Rückwärtsbewegung. Gleichzeitig zieht Uke den hinteren Fuß auf gleiche Höhe (Parallelstand) und versucht, den Wurf durch Aufrichten (Körperspannung, „Baumstamm“) zu verhindern.

Tori senkt seinen Schwerpunkt bei geradem Oberkörper weit nach unten (Hüfte gegen Oberschenkel), bricht Ukes Gleichgewicht (seine Fersen heben ab) und wirft mit gestrecktem Hubarm. Uke stützt sich wiederum mit der freien Hand auf Toris Rücken.

Nach dem Wurf erfolgt direkt die Durchführung links. Auf dem Weg zurück in die Ausgangsstellung (Position wie nach dem Auftaktschritt, jedoch Rücken zu Rücken)  werden die Gi gerichtet. Nach kurzer Pause (1 – 3 Sekunden) drehen sich beide Partner wieder zueinander (ohne Yoseki den Rücken zu zeigen) und beginnen mit der nächsten Gruppe.

3. Gruppe: Ashi-waza (Fußwürfe)

Okuri-ashi-barai

Tori und Uke stehen sich im Katazentrum im Shizentai gerade (nicht versetzt) gegenüber. Der Abstand ist verglichen mit den anderen Techniken relativ gering (grober Anhaltspunkt 30 cm, ein zu großer Abstand erschwert die Kontrolle und Kraftübertragung beim Wurf).

Uke beginnt mit seinem Griff-Ansatz (Ärmel-Revers), Tori reagiert sofort und greift als erster. Sofort nach Griffaufnahme schiebt Tori Uke aktiv seitwärts (von Yoseki weg), dazu wird Ukes Ellenbogen an dessen Körper gepresst. Die Beine bewegen sich im Tsugi-ashi, bleiben also auf dem Boden und werden auch nicht vollständig zusammengeführt (nur etwa schulterbreit). Ebenso gibt es keine „Schaukelbewegung“, d.h. keine Auf- und Abwärtsbewegung der Hüfte.

Beim zweiten und dritten Seitwärtsschritt werden Abstand und vor allem Geschwindigkeit erhöht, beim dritten Schritt erfolgt der Wurf. Dazu wird nach dem Stemmschritt des Standbeins der fegende Fuß von Tori so gedreht, dass mit der Fußsohle gefegt wird. Das Bein wird bis zum kleinen Zeh angespannt und die Fußsohle fegt beide Füße von Uke unterhalb des Knöchels, indem ein Fuß von Uke an den anderen geführt wird (okuri: nachführen, übergeben; nicht: beide!). Toris Armarbeit spielt eine große Rolle, im Moment des Wurfes führt die Hand am Ellenbogen den Schub weiter während die Revershand durch Zug nach oben und in die entgegengesetzte Richtung Ukes Oberkörper aus dem Gleichgewicht bringt, wodurch das Fußfegen überhaupt erst ermöglicht wird. Uke wird flach geworfen, die Beine sollten nur so hoch gefegt werden wie nötig. Je besser der Wurf gelingt, umso weiter landet Uke neben Tori und nicht davor.

Für Uke ist es wichtig, parallel zu Tori zu bleiben und sich nicht vorzeitig zur Seite zu drehen, was einen De-ashi-barai zur Folge hätte.

Danach erfolgt die Ausführung links. Gestartet wird jedoch nicht in Mattenmitte, sondern dort, wo Tori nach Wurfausführung steht. Der Wurf erfolgt also etwa in der Mattenmitte.

Sasae-tsuri-komi-ashi

Tori und Uke stehen wieder in etwa 60 cm Abstand (Greifentfernung) in der 4 m Position. Uke greift nun an (Griffaufnahme und erster Schritt gleichzeitig), Tori reagiert sofort und übernimmt wieder die Initiative.

Bei zweiten Nachstellschritt beschreibt der nachfolgende Fuß einen Halbkreis und wird deutlich hinter dem anderen Fuß und diagonal rückwärts (also seitwärts) versetzt aufgesetzt, es wird quasi Platz für Uke geschaffen. Dieser versetzt stehende Fuß bleibt während des Wurfes an dieser Stelle und wird lediglich während des Wurfes auf der Ferse gedreht, Tori macht keinen Schritt nach vorne.

Der im ersten Nachstellschritt begonnene Zug am Arm (Zughand, Hikite) in Schulterhöhe wird nun stark erhöht, wodurch es durch gleichzeitiges Blockieren von Ukes vorne stehenden Fußes (nicht des Knies!) mit der Fußsohle in Höhe des Fußgelenks zum Gleichgewichtsbruch und nachfolgend zum Wurf kommt. Dabei dreht Tori sich (anders als beim Uki-otoshi!) unter Beibehaltung der Zugbewegung um 180 Grad in die Wurfrichtung.  Tori legt sich also „in den Wurf hinein“ und würde ohne den Gegendruck von Uke sein Gleichgewicht verlieren. Uke landet parallel und nur leicht versetzt zur Kataachse.

Danach erfolgt die Ausführung links. Wichtig ist für Tori ein entschlossener kräftiger Armzug in Schulterhöhe, der von der Reverhand unterstützt wird. Wichtig für Uke ist ein entschlossener Angriff mit geradem Oberkörper und ein sauberer Fall nach vorne, kein Mithüpfen.

Uchi-mata

Diese Technik wird als Ashi-uchi-mata durchgeführt. Als einzige Technik der NNK wird sie zudem aus der Kreisbewegung geworfen, dadurch haben Anfänger hiermit häufig Schwierigkeiten. Die Bewegung kann man sich unter Zuhilfenahme zweier gedachter Kreise verdeutlichen: Tori bewegt sich im kleinen, inneren Kreis (Mittelpunkt der Bewegung) und führt dabei Uke auf dem größeren, äußerem Kreis um sich herum. Zum Üben kann man den Wurf um einen Medizinball durchführen.

Tori und Uke stehen sich in etwa 60 cm Abstand (Greifentfernung) im Katazentrum gegenüber. Beide machen während der Griffaufnahme (Ärmel-Revers) zunächst einen kleinen Schritt vor (Migi-shizentai). Tori zwingt Uke nun in die oben beschriebene Kreisbewegung (Tsugi-ashi in Kreisform), indem er mit der Revershand einen kräftigen Zug ausübt und gleichzeitig mit der Ärmelhand schiebt, die Bewegung ist horizontal, die Ellenbogen sind in der Luft, nicht am Körper.

Dadurch wird Uke hinter Tori geführt, sein Oberkörper wird nach vorne gezogen, er steht auf den Fußballen.  Toris dritter Nachstellschritt ist verkürzt, da Uke jedoch seine Bewegung fortführt befindet er sich so weit hinter Tori, dass dieser den Oberschenkel-Oberschenkel-Kontakt herstellen kann und durch eine Fegebewegung werfen kann. Dabei ähnelt diese Fegebewegung eher einem mit gestrecktem Bein durchgeführtem O-uchi-gari, wodurch Uke nicht gerade nach vorn, sondern seitlich geworfen wird.

Nach dem Wurf erfolgt direkt die Durchführung links. Auf dem Weg zurück in die Ausgangsstellung (Position wie nach dem Auftaktschritt, jedoch Rücken zu Rücken)  werden die Gi gerichtet. Nach kurzer Pause (1 – 3 Sekunden) drehen sich beide Partner wieder zueinander (ohne Yoseki den Rücken zu zeigen) und beginnen mit der nächsten Gruppe.

… wird fortgesetzt …

4. Gruppe: Ma-sutemi-waza (gerade/reine Opferwürfe)

Tomoe-nage

Ura-nage

Sumi-gaeshi

5. Gruppe: Yoko-sutemi-waza (seitliche Opferwürfe)

Yoko-gake

Yoko-guruma

Uki-waza

Literatur

  • Sven Keidel, Stefan Bernreuther: Nage No Kata lehren und lernen (2013), Meyer & Meyer Verlag, ISBN: 978-3-8403-1003-4
    Ein Unterrichtskonzept zum Kata-Training, gedacht für Trainer, aber auch für alle anderen Kata-Interessierten sinnvoll
  • Tadao Otaki, F. Draeger: Judo Formal Techniques (1983), Charles E. Tuttle
    Company, Inc.
    Sehr umfangreiches Buch zu beiden Randori-no-kata, viele geschichtliche Details, aber nicht immer auf dem aktuellen Stand (Englisch)
  • Deutscher Judobund: Regelwerk für Kata-Wettbewerbe (2015)
  • Kodokan Judo Institute: Nage-no-Kata (2014), English translated version, Official translation of the Japanese original
    Das offizielle und aktuelle Werk des Kodokan (Englisch)
  • Jigoro Kano: Kodokan Judo (2012), VP-Masberg
    Standardwerk des gesamten Kodokan-Judo inkl. aller Kodokan-Kata, deutsche Übersetzung von Dieter Born
  • Toshiro Daigo: Wurftechniken des Kodokan 1 und 2 (2009), VP-Masberg
    Umfassendes Werk über alle Wurftechniken des Kodokan, inklusive der jeweiligen Ausführung in der Nage-no-kata. Die Fertigstellung des 3. Bandes (Sutemi-waza) ist nach dem Tod des Übersetzers Dieter Born derzeit nicht in Sicht. Es gibt jedoch auch noch eine kürzere, englische Ausgabe aller drei Bände.
  • Wolfgang Dax-Romswinkel: Grundwissen der Geschichte des Kōdōkan-Jūdō in Japan (2010), Artikelserie in „der budoka“ – Verbandsmagazin des Dachverbandes für Budotechniken Nordrhein-Westfalen e.V.
    Sehr detaillierte Beschreibung der Geschichte der verschiedenen Kata des Kodokan, nützlich zum Verständnis der Auswahl und Herkunft der Techniken, sehr lesenswert
  • Jigoro Kano and N. Murata: Mind Over Muscle, Writings from the Founder of Judo (2005), Kodansha International Ltd., Tokyo
    Sollte jeder Judoka gelesen haben! (Englisch)
  • Brian Watson: Judo Memoirs of Jigoro Kano (2008), Trafford Publishing, Victoria Gesammelte Artikel und Interviews von Kano, sehr lesenswert. Kleiner Fehler im Afterword: Angela Merkel hat keinen Dan im Judo.   (Englisch)

(G. Klaassen)